Jutta Strehle
Welcher Ort wäre für die Präsentation von Werken Lucas
Cranachs d. Ä. geeigneter als die Stadt, in der er als Hofmaler
dreier Kurfürsten 45 Jahre lang "im Dienst von Macht und Glauben"
gelebt und gearbeitet hat? Hier in Wittenberg hatte er seine Familie
und seine Freunde. In dieser Stadt genoß er hohes Ansehen, war
mehrfach Bürgermeister und Kämmerer, und nur hier kann man
heute noch den Wegen des Künstlers im wörtlichen Sinne
"nachgehen".
Seine bedeutsamsten und wertvollsten Gemälde und Graphiken
hängen in den großen Museen der Welt und in privaten
Sammlungen. Von den etwa 1000 noch erhaltenen Tafelgemälden
Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt sind nur zwei
großformatige Werke in der Stadt verblieben: der Altar in der
Stadtkirche St. Marien und die heute in Luthers Haus gezeigte
Zehn-Gebote-Tafel. Dort findet sich neben einigen kleinen
Porträts Cranachs und seiner Werkstatt seit kurzem auch ein vom
Land Sachsen-Anhalt erworbenes wertvolles Täfelchen mit der
reformatorischen Darstellung von Gesetz und Gnade.
Die druckgraphischen Werke Cranachs bilden indes einen nicht
unerheblichen Sammlungbestand der Lutherhalle.
Bereits 1877 im Aufruf zur Gründung der "Reformations-Halle" wird
das Sammeln der Werke Cranachs in Wittenberg angeregt. Es heißt
u. a.: "Wir bitten ferner, uns Nachrichten zugehen zu lassen, wo sich
für unsere Sammlung geeignete Gegenstände befinden,
eventl. ob sie käuflich sind. Nicht nur, was zu dem Leben der
großen Glaubenshelden selbst: eines Luther, eines Melanchthon
und ihrer gesegneten Mitarbeiter, in unmittelbarer Beziehung steht,
sondern auch was an die weiteren reformatorischen Kreise, vor allem an
die gekrönten Schutzherren des Gotteswerkes, die Kurfürsten
von Sachsen, sowie an die künstlerischen Beförderer
desselben, einen Lucas Cranach u. a. erinnert, wird uns ein wertvoller
und willkommener Beitrag sein."
Aber erst in den letzten Jahren ist es mit Unterstützung des
Landes Sachsen-Anhalt, durch Zuwendungen von Sponsoren und durch
Schenkungen gelungen, den Sammlungsbestand der Lutherhalle um mehr als
150 Graphiken Cranachs d. Ä. und seiner Werkstatt auf über
650 Holzschnitte und 4 Kupferstiche zu erweitern. Recherchen in der
etwa 7500 Drucke der Reformationszeit umfassenden Sammlung der
Stiftung der Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt führte
durch die Entdeckung von Buchillustrationen Cranachs ebenfalls zur
Ergänzung des Bestandes.
Mit dieser Ausstellung präsentiert die Stiftung erstmalig mit
etwa 30 Einzelblättern und 70 Illustrationen den bedeutsamsten
Teil ihrer Druckgraphiken Lucas Cranachs d. Ä.
Von den neun Kupferstichen des graphischen OEuvre Cranachs können
wir inzwischen vier zeigen. Frühdrucke sind in der Ausstellung
durch spätere Druckausgaben und Kopien ergänzt, um auf die
intensive Nutzung der kostbaren Holzstöcke Cranachs und die
Vorbildwirkung seiner Bildfindungen zu verweisen. Dank des
freundlichen Entgegenkommens verschiedener Museen können wir die
Abfolge der graphischen Blätter durch wertvolle dreidimensionale
Leihgaben ergänzen.
Die Exposition gliedert sich durch zwei, für Cranachs Leben und
Wirken wesentliche, sich gegenseitig bedingende und eng miteinander
verflochtene Aspekte: Macht und Glauben. Vergrößerte
Details aus Holzschnitten Cranachs stehen als bildliche Synonyme
beider Begriffe am Beginn der Ausstellung. Die thematisch divergenten
Graphiken der Sammlung haben wir jeweils einem dieser Pole zugeordnet,
ohne zu übersehen, daß die meisten Blätter für
beide stehen könnten.
Einer der größten Glanzpunkte der Ausstellung ist das vom
Land Sachsen-Anhalt angekaufte, sehr seltene "Wittenberger
Heiltumsbuch" von 1509. Mit seinen 119 auf Pergament gedruckten
Holzschnitten von Reliquiaren steht es stellvertretend für
Cranachs vorreformatorisches graphisches Werk.
Als Gegenstück und Beispiel für sein von der Reformation
geprägtes Schaffen zeigen wir das September-Testament von 1522
mit den 21 z. T. von Dürer beeinflußten Holzschnitten
Cranachs zur "Apokalypse".
Der Aspekt der weltlichen Macht wird durch die erste
Turnierdarstellung des Hofkünstlers von 1506 sinnfällig
repräsentiert.
Daran anschließend zeigen wir frühe Einzelblätter und
Illustrationen, so z. B. einen der ersten Kupferstiche Cranachs "Die
Buße des heiligen Chrysostomus". Die beiden Holzschnitte "Der
Sündenfall" und das Blatt "Jesus und die Samariterin" von 1509
werden in späten guten Abdrucken vorgeführt.
Einen ganz besonderen Höhepunkt bildet im Anschluß daran
eine Folge von außerordentlich seltenen Probedrucken für
eine nicht vollendete Buchausgabe der
"Apostelmartyrien"
von 1512. Zu diesen doppelseitig bedruckten kostbaren vorreformatorischen
Blättern wird die gebundene Folge der "Passion Christi" von 1509,
als exquisite Leihgabe des Berliner Kupferstichkabinetts,
präsentiert. Im Konnex dazu zeigen wir die elf kürzlich
erworbenen Holzschnitte zur "Passion Christi" aus einer zwischen 1538
bis 1543 in Wittenberg gedruckten Buchausgabe.
Es folgen das "Passional Christi und Antichristi" und die in unseren
Sammlungen neuentdeckte Folge des "Papsttums mit seinen Gliedern" in
mehreren Druckausgaben und Kopien. Die lehrhaften Bilder zu den "Zehn
Geboten" und der Einblattdruck mit der "Predigt Johannes des
Täufers" von 1516 sind als Kontrast zu seinem polemischen
Schaffen im Auftrag der Reformation gedacht. Die Kupferstiche mit den
Porträts von "Martin Luther" und "Albrecht von Brandenburg"
sollen u. a. die "kirchenpolitische" Spannweite von Cranachs Wirken
verdeutlichen.
Den Abschluß der Ausstellung bildet eine ganzfigurige
Darstellung "Kaiser Karl V.", der durch seinen Sieg über die
Protestanten bei Mühlberg nicht nur das Leben des
sächsischen Kurfürsten, sondern auch das seines alten
Hofmalers wesentlich veränderte.
Sonderausstellung in der Lutherhalle Wittenberg vom 28. Mai bis 20. September 1998 geöffnet dienstags bis sonntags 9.00 bis 18.00 Uhr Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt Lutherhalle Wittenberg, Collegienstr. 54 06886 Lutherstadt Wittenberg Tel.: 03491 4203-0 Fax: 03491 420327